TYPE: Photography, Architecture
CONTEXT: TUM (5. Semester)
STATUS: Completed (2024)
MADE: Emilia Kreibich, Moritz Thalmaier
Nachbarschaft Neuperlach – Flohmärkte
Trödeln für die Gemeinschaft
Über die soziale Bedeutung von Flohmärkten
In der Vergangenheit waren sie etabliert und nicht wegzudenken. Märkte: Kleine und Große, Geordnete und Chaotische, Andauernde und Temporäre. Immer dominiert von einem regen Treiben der wirtschaftenden Menschen, suchenden Käufer:innen und lautstarken verbalen Ausdrücken des fundamentalsten Prinzip, des Marktes: Angebot und Nachfrage. Einerseits dienten diese Orte dem Erwerb für materielle Versorgungsgüter, andererseits funktionierten sie weit über diesen ökonomischen Zweck hinaus, als eine Plattform für den sozialen Austausch, zwischen Menschen unterschiedlichster Herkünfte und Hintergründe. Weitgereiste Händler:innen trafen auf den lokalen Hofstaat, die Bäuerin vor den Toren der Stadt auf den reichen Kaufmann. Der Markt und das Leben, welches auf ihm Platz findet, fördert neben dem wirtschaftlichen Handel den sozialen Austausch innerhalb einer Gemeinschaft. Obwohl es plausibel scheint, dass bei all den Möglichkeiten der Vernetzung in einer digitalisierten Welt, diese soziale Funktion eines Freiluft-Marktes in der modernen Konsumgesellschaft längst überholt ist, zeigt ein Blick auf lokale Formen, wie hier beim Flohmarkt in Neuperlach, dass das Gegenteil der Fall ist. Was generell heute von Märkten geblieben ist, sind vereinzelte Ableger dieser Institution, die in ihrer Größe und ihrem Umfang variieren. Hier ein weiß rot gestreifter Wagen mit Falafel zum Mitnehmen, dort ein regionales Obstsortiment unter großem Schirm, umstellt von weiteren Ständen mit lokalen und überregionalen Köstlichkeiten. Was ihnen gemein ist: Niemand ist mehr zwingend auf sie angewiesen, der Erwerb von Produkten aus der Region ist auch im Biomarkt um die Ecke möglich, den Trüffel aus Norditalien bekommt man im Feinkostsupermarkt. Die Produkte auf den meisten Märkten sind austauschbar geworden, sie haben keine Sonderstellung mehr in dem Dschungel der Vielfalt an Konsummöglichkeiten. Unter den verschiedenen Arten von Märkten hat der Floh-, beziehungsweise Trödelmarkt eine Sonderstellung, welche ihn auch in der Geschichte der Märkte schon immer unterscheidet. Auf einem Flohmarkt werden, meist von Privatleuten, gebrauchte Waren verkauft, die in ihrem Hausstand ihre Funktion erfüllt haben und als Schnäppchen auf die nächsten Nutzer:innen warten. Diese Art von Märkten wird gestaltet durch jede einzelne Person, die hier einen Stand mit ihren persönlichen Dingen anbietet. Vielleicht ist es diese Varianz, eine gewisse Form der Unvorhersehbarkeit, die das Interesse an Flohmärkten nicht aussterben hat lassen. Ganz im Gegenteil, Flohmärkte freuen sich immer weiterwachsender Beliebtheit, sind gleichzeitig auch ein Opfer der Gentrifizierung geworden. Waren sie einst ein Ort für Schnäppchenjäger:innen und Menschen mit geringeren finanziellen Möglichkeiten, kann man heute ein Phänomen der Teuerung beobachten. Das ausgewaschene Shirt wird als Vintage verkauft und geht für 15 Euro über den Tisch, die Retro Lampe, von der sich niemand sicher ist, dass sie noch funktioniert, findet für 20 Euro eine neue Besitzerin. Glücklicherweise hat diese Entwicklung noch nicht überall stattgefunden: So in Neuperlach, Satellitenstadt, gebaut in den 60er Jahren in München, über 50.000 Menschen unterschiedlichster Herkünfte finden in einem der unzähligen Betonhäuser einen Platz zum Wohnen. Jeden Samstag findet hier, unweit der Neuperlacher Mitte, auf dem Parkplatz der deutschen Rentenversicherung ein Flohmarkt statt, initiiert von dem Bürgerkreis Neuperlach e.V. . Seit Jahrzehnten gibt es diesen Markt, mittlerweile ist er fest verankert im Leben der Neuperlacher:innen und hat sich trotz unzähliger neuer Spielstätten, die sie sich suchen mussten, nie unterkriegen lassen. Mittlerweile ist es „Eine Institution, die nicht mehr wegzudenken ist.“, sagt Klaus Berenbrink, der Vorsitzende des Vereins. In einem Gespräch mit ihm erläutert er die Geschichte des Marktes, die Faszination der Menschen für diesen Markt und welche Rolle er für die Neuperlacher Nachbarschaft spielt, die sich sonst selten außerhalb ihrer Milieus zusammenfindet. Es stellt sich heraus, dass der soziale Gewinn durch den Markt für die Neuperlacher Stadtgesellschaft unverzichtbar ist. Die Milieus in Neuperlach sind sehr divers, was diesen Ort auch stückweise definiert. Wie in vielen Großwohnsiedlungen der Nachkriegszeit ist der Austausch in der Nachbarschaft eher marginal, es ist ein nebeneinander, statt miteinander wohnen. Auf dem wöchentlichen Flohmarkt finden sie einen Grund zusammen zu kommen. Ältere Menschen beispielsweise gehören in der Gesellschaft zu einer marginalisierten Gruppe, ein geringes Einkommen unterstützt das Problem der sozialen Isolation. Auf dem Flohmarkt wird ihnen die Möglichkeit gegeben, einerseits durch den Verkauf eigener Objekte ihr geringes Einkommen aufzubessern, andererseits durch den Erwerb mancher Schnäppchen teuren Neueinkäufen zu entgehen. Darauf aufbauend wird ihnen eine Möglichkeit für soziale Interaktionen geboten, welche nicht mit einem Konsumzwang verbunden ist, obwohl doch alles unter dem vermeintlichen Deckmantel des Erwerbs und Interesses für einen bestimmten Gegenstand stattfindet. Was aber eigentlich passiert ist, dass durch ein kurzes Gespräch über den Preis des Stücks, über seine Geschichte und vielleicht auch daraus hinaus entwickelnd ein kurzer Einblick in das Leben der Besitzer:in eine soziale Interaktion stattfindet, die Menschen unterschiedlichen Alters in einen Austausch miteinander bringt. Sie werden zumindest kurz durch das ihnen beiden vorliegende Objekt verbunden, trotz all der Unterschiede, die sie als Menschen mit sich bringen. Aufgrund dessen, dass der Flohmarkt in Neuperlach mittlerweile so etabliert ist, kennen sich viele der Verkaufenden und Besuchenden, erzählt Klaus Berenbrink. Viele kommen nur zum Ratschen und für einen kurzen Austausch zwischendurch mit bekannten Gesichtern und weniger aufgrund möglicher Verkäufe. Es wird deutlich, welche Rolle dieser wöchentlich stattfindende Markt als eine Art informeller Treffpunkt für Menschen aus Neuperlach hat. Ähnlich verhält es sich bei Besucher:innen und Verkäufer:innen auf dem Flohmarkt, die nicht in Deutschland sozialisiert worden sind und deswegen leider immer wieder auf Schwierigkeiten treffen in dieser Gesellschaft, über ihre Milieugrenzen hinweg Fuß zu fassen und Kontakte zu knüpfen. Der Flohmarkt spielt auch hier eine multifunktionale Rolle, denn einerseits spielen die ökonomischen Nachteile, unter denen viele Immigrant:innen aufgrund von sozialer Ungerechtigkeit leiden müssen, hier eine geringere Rolle. Denn auch für sie sind die günstigeren Optionen auf den Flohmärkten interessant und der ökonomische Erwerb durch den Verkauf eigener Waren relevant. Insbesondere jetzt, mit der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete, kann dieser Markt eine wichtige Rolle spielen, um zumindest an etwas nötiges Bargeld zu kommen. Neben der Ökonomie bietet der Flohmarkt eine Möglichkeit der sozialen Integration in die Dominanzgesellschaft. Die kurzen Verkaufsgespräche zwischendurch ermöglichen ein Ausprobieren in der deutschen Sprache und initiieren einen Austausch zwischen zwei Menschen, die sich sonst leider weniger begegnen würden. Auch wenn diese Gespräche meist auf einer oberflächliche Ebene bleiben, findet eine Interaktion und erste Berührungen statt, die ein kleiner, aber relevanter Schritt sein können, um etwaige Vorurteile abzubauen. Neben der Dominanzgesellschaft, schafft der Flohmarkt durch dieses diverse Publikum einen zeitlich befristeten multikulturellen Ort, welcher Raum bietet für interkulturellen Austausch und Anknüpfungen an Menschen, in einer bayerischen Gesellschaft, die sich leider doch noch oft abweisend und konservativ zeigt gegenüber ihren Fremden. Auch hier ist es das Objekt der Begierde, das zumindest auf kurze Zeit eine verbindende Rolle inne hat. Diese Objekte der Begierde sind unterschiedlichster Natur und werden bestimmt durch die Menschen, die auf diesem Markt zusammenkommen. Sie spiegeln in vollster Art und Weise die Diversität der Gesellschaft wieder. Durch die Subjekte und Objekte entsteht ein multikulturelles Wimmelbild, das ein Sinnbild sein kann für die verschiedenen Menschen und Geschichten, die dort zu diesem Zeitpunkt an einem Ort zusammen kommen. Der Flohmarkt schafft einen Schauplatz, auf welchem jede Person ihre Rolle hat, egal ob klein oder groß, für jede:n gibt es hier einen Platz und eine Funktion. Das, was sie verbindet in diesem Moment, sind die ökonomischen Interessen, doch was dazwischen entsteht ist ein multikulturelles und intergenerationelles Zusammensein von Menschen, deren Blicke sich sonst lediglich in der Ubahn kreuzen würden. Es gibt in unserer Gesellschaft leider wenig vergleichbare Orte und Anlässe, an denen Menschen unterschiedlichster Hintergründe zusammenkommen und derartig schnell in Kontakt miteinander geraten und es scheint doch paradox, dass ein Markt, am Rande der Stadt, auf dem Parkplatz der deutschen Rentenversicherung, einen wahrhaftig multikulturellen Ort und Austausch zustande bringt, wie es wenig andere Orte in der bayerischen Landeshauptstadt schaffen Literaturverzeichnis: Fischer, Volker (1980): Nostalgie. Geschichte und Kultur als Trödelmarkt. Luzern: Bucher, C, J. Heller, Hartmut (1984): Über den Umgang mit Tradition auf Trödelmärkten. In: Matreier Gespräche – Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft Wilheminenberg. Nr. 1984, Linz: Die Forschungsgemeinschaft Wilhelminenberg, 199-210. Kampmann, Sandra (2021): Geschichte der Flohmärkte. https://www.planet-wissen.de/kultur/sammeln/flohmaerkte/pwiegeschichtederflohmaerkte100.html, Zugriff: 07.08.2024. Münz, Sebastian (2008): Flohmarkt – Märkte, Menschen, Waren. Frankfurt a.M: Röschen-Verlag. Utri, Reinhold (2011): Flohmärkte als Schmelztiegel der Kulturen – Gedanken zur Interkulturalität mit einem Seitenblick auf die Sprachenpolitik einer multikulturellen Gesellschaft und die Möglichkeiten einer zeitgemäßen Schule. In: Lublin Studies in modern language and literature. Nr. 11, Lublin: Faculty of Humanities, Maria Curie-Sklodowska University Press, 130-143.
TYPE: Photography, Architecture
CONTEXT: Personal Project
STATUS: Completed (2025)
MADE: Moritz Thalmaier
NATURPARK AMAGER
Stille Landmarken in der Marsch
Monolithische Holzbauten formen die Weite der Landschaft Der Naturpark Amager erstreckt sich über eine Fläche von rund 35 km² und liegt in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum Kopenhagens. Dieses weitläufige Gebiet umfasst eine Vielzahl von Landschaftstypen, darunter Küstenlandschaften, beeindruckende Feuchtgebiete, Marschen und Birkenwälder. Diese abwechslungsreiche Topografie bietet nicht nur Lebensraum für eine reiche Flora und Fauna, sondern dient auch als beliebtes Naherholungsgebiet für die Stadtbevölkerung. Die offenen Weiten und die Nähe zum Wasser schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die sowohl Ruhe als auch Inspiration bietet. Im Rahmen eines umfassenden Entwicklungsprojekts arbeiteten die Architekturbüros Adept und LYTT Architecture gemeinsam an der Neugestaltung und Erschließung des Parks. Während LYTT für die landschaftsarchitektonische Planung verantwortlich war, entwarf Adept eine Reihe von Aussichtsplattformen und Besucherstrukturen, die gezielt neue Blickachsen eröffnen und die Wahrnehmung der Landschaft präzise inszenieren. Die von Adept entworfenen monolithischen Holzbauten zeichnen sich durch ihre dunklen, geflammten Holzschindeln und geometrisch präzisen Formen aus. Diese Gestaltung verleiht den Strukturen eine markante Präsenz in der flachen, sumpfigen Umgebung. Die Holzschindeln sind mit der traditionellen japanischen Technik des Yakisugi behandelt – einem Verfahren, bei dem die Holzoberfläche kontrolliert verbrannt wird, um eine karbonisierte Schicht zu erzeugen. Diese schützt das Material vor Feuchtigkeit, Insektenbefall und Pilzbildung und macht es widerstandsfähiger gegenüber Witterungseinflüssen. Neben dieser funktionalen Qualität verleiht Yakisugi den Bauten eine tiefschwarze, fast skulpturale Erscheinung, die im Kontrast zur offenen Landschaft steht und zugleich mit der Zeit eine subtile Patina entwickelt. Das Projekt untersucht die Rolle architektonischer Elemente als Landmarken und vermittelnde Strukturen in sensiblen Ökosystemen. Es zeigt, wie gezielt gesetzte Bauten sowohl Orientierungspunkte als auch Räume für Stille und Naturerfahrung schaffen können. Durch die bewusste Materialwahl und Formgebung fügen sich die Bauwerke harmonisch in die Landschaft ein und ermöglichen den Besuchern eine intensive Auseinandersetzung mit der Umgebung. Die Architektur dient dabei als Medium, das die Beziehung zwischen Mensch und Natur stärkt und neue Perspektiven auf die natürliche Umwelt eröffnet.
TYPE: Photography, Architecture
STATUS: Completed (2025)
CONTEXT: Personal Project
MADE: Moritz Thalmaier
NATURPARK
AMAGER
Stille Landmarken in der Marsch
Monolithische Holzbauten formen die Weite der Landschaft Der Naturpark Amager erstreckt sich über eine Fläche von rund 35 km² und liegt in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum Kopenhagens. Dieses weitläufige Gebiet umfasst eine Vielzahl von Landschaftstypen, darunter Küstenlandschaften, beeindruckende Feuchtgebiete, Marschen und Birkenwälder. Diese abwechslungsreiche Topografie bietet nicht nur Lebensraum für eine reiche Flora und Fauna, sondern dient auch als beliebtes Naherholungsgebiet für die Stadtbevölkerung. Die offenen Weiten und die Nähe zum Wasser schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die sowohl Ruhe als auch Inspiration bietet. Im Rahmen eines umfassenden Entwicklungsprojekts arbeiteten die Architekturbüros Adept und LYTT Architecture gemeinsam an der Neugestaltung und Erschließung des Parks. Während LYTT für die landschaftsarchitektonische Planung verantwortlich war, entwarf Adept eine Reihe von Aussichtsplattformen und Besucherstrukturen, die gezielt neue Blickachsen eröffnen und die Wahrnehmung der Landschaft präzise inszenieren. Die von Adept entworfenen monolithischen Holzbauten zeichnen sich durch ihre dunklen, geflammten Holzschindeln und geometrisch präzisen Formen aus. Diese Gestaltung verleiht den Strukturen eine markante Präsenz in der flachen, sumpfigen Umgebung. Die Holzschindeln sind mit der traditionellen japanischen Technik des Yakisugi behandelt – einem Verfahren, bei dem die Holzoberfläche kontrolliert verbrannt wird, um eine karbonisierte Schicht zu erzeugen. Diese schützt das Material vor Feuchtigkeit, Insektenbefall und Pilzbildung und macht es widerstandsfähiger gegenüber Witterungseinflüssen. Neben dieser funktionalen Qualität verleiht Yakisugi den Bauten eine tiefschwarze, fast skulpturale Erscheinung, die im Kontrast zur offenen Landschaft steht und zugleich mit der Zeit eine subtile Patina entwickelt. Das Projekt untersucht die Rolle architektonischer Elemente als Landmarken und vermittelnde Strukturen in sensiblen Ökosystemen. Es zeigt, wie gezielt gesetzte Bauten sowohl Orientierungspunkte als auch Räume für Stille und Naturerfahrung schaffen können. Durch die bewusste Materialwahl und Formgebung fügen sich die Bauwerke harmonisch in die Landschaft ein und ermöglichen den Besuchern eine intensive Auseinandersetzung mit der Umgebung. Die Architektur dient dabei als Medium, das die Beziehung zwischen Mensch und Natur stärkt und neue Perspektiven auf die natürliche Umwelt eröffnet.